Das Römerlager in Oberaden.

Römerlager Oberaden
Abb. 1:Legionslager auf dem Luftbild von Oberaden, (c) LWL

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 Mit über 50ha ist es eines der größten je gefundenen Römerlager überhaupt.Die Forschung geht davon aus, daß es sich dabei um ein Winterlager des Drusus und seiner Expeditionsstreitmacht handelt, die zwischen 12 und 9 v. Chr. die Magna Germania bis zur Elbe durchzogen. [ 1 ]

Von allen entdeckten rechtsrheinischen Römerlager ist das Lager in Oberaden das Einzige, daß von der Konstruktion her weitreichende Parallelen zu den überlieferten Vermessungsregeln für römische Feldlager des Polybios und Pseudo-Hygin aufweist.

Versucht man der Arbeit des römischen Vermessers auf die Spur zu kommen und legt ein regelmäßiges Raster mit 11,1m Rastergrösse über den Ausgrabungsplan des LWL zu legen, erhält man dieses Bild.(Abb. 2)

 

Römerlager Oberaden
Abb. 2: Wurde das Lager mittels eines 11,1m Raster vermessen?

 

Das ist bemerkenswert. Denn der englische Wissenschaftler C. W. Walthew hat festgestellt, daß alle wesentlichen Bauten und Straßen in den Lagern Inchtuthil und Colchester auf Einheiten zu 7 1/2 römischen Fuss (pes Monetalis) beruhen [ 2 ].

Diesen Einheiten gibt er keinen Namen und spricht nur von Units. 11,1m in unserem Raster entsprechen genau 5 dieser Units.

 

Der Mittelpunkt der gesamten Konstruktion liegt in einem zentralen Zimmer des Praetoriums. Dies steht im Einklang mit der Beschreibung bei Polybios, wonach ein Lager vom Feldherrenzelt ausgehend ausgemessen wird. Die Nord-Südausdehnung zwischen der Mauerinnenseite beträgt exakt 60 Rastereinheiten (300 Units). Die Ost-Westausdehnung beträgt insgesamt 76 Rastereinheiten (380 Units).

 

Ein weiterer englischsprachiger Wissenschaftler, Jonathan Roth, geht in seinem Werk "The Logistics of the Roman Army at War (264 B.C. - A.D.235)" davon aus, daß die Kohorten-Kasernen einen maßgeblichen Einfluss auf die Planung der englischen Festungen hatten. Glücklicherweise sind in Oberaden die Lagerflächen einer kompletten Kohorte ergraben worden wie der Auszug aus dem Grabungsplan des LWL zeigt.(Abb. 3)

 

Abb. 3: Vergrößerter Grabungsplan einer Kohorteninsulae, (c) LWL
Abb. 3: Vergrößerter Grabungsplan einer Kohorteninsulae, (c) LWL

Die Nordwestecke

 

Eine römische Kohorte besteht aus sechs Centurien. Durch messen erkennt man, daß sich jeweils sechs dieser Centurien-Kasernen auf einem Quadrat mit 66,6m Seitenlänge verteilen. In unserem Raster entspricht das 6x6 Rastereinheiten. Die Forschungen der englischen Wissenschaftler scheinen also auf das Lager in Oberaden übertragbar. Unsere Rastereinheit 11,1m oder 5 Units entspricht genau der Breite einer Centurienkaserne.

 Jeweils zwei Centurien liegen Rücken an Rücken aneinander. Am Kopf jeweils einer Centurienkaserne steht ein Centurionenhaus. Die Mannschaften lagerten in Oberaden aber wahrscheinlich auch den Winter über in Zelten. Pfostenspuren werden hinter den Centurionenhäusern werden als einfache Dachkonstruktionen über den Zelten gedeutet. In den späteren Römerlagern an der Lippe gab es dann auch für die einfachen Legionäre feste Behausungen. In der Abb.3 sind neun Centurienhäuser zu sehen. Die obersten sechs gehören wahrscheinlich einer Kohorte an, wobei das oberste Centurionenhaus anscheinend aufgrund der Eckenverkürzung auf die rechte Seite verlegt wurde, während die anderen Centurionenhäuser links am Wall positioniert wurden. Die unteren drei Centurionenhäuser sind schon Bestandteil der nächsten Kohorte. Die Kohortenquadrate werden rechts durch eine geschotterte Straße begrenzt. Zu erkennen ist sie an dem mittig in der Straße verlaufenden Entwässerungsgraben.

Symetrische Rückführung des Lagers von Oberaden
Abb. 4: Spekulativer symmetrischer Urplan des Lagers.

 

Ermittlung eines idealen Lagers

 

Mit diesen Informationen versuchen wir nun durch symmetrische Rückführung des Ausgrabungsplans ein idealeres Lager zu rekonstruieren, daß den übermittelten Vermessungsanweisungen mehr entsprich. Wir unterstellen dabei, daß dieses Lager viereckig war.

 

Es fällt auf, daß sich die Kohortenquadrate regelmäßig im Lager verteilen lassen. Die einzigen problematischen Bereiche sind jene neben der Principia. Laut Pseudo-Hygin sind hier die Tribunenhäuser anzusiedeln. Weiterhin verteilen sich laut den römischen Vermessern, die Legionen in einem Feldlager direkt am Wall. In der Rekonstruktion sind also zumindest auch dort Kohorten-Kasernen zu erwarten. Die Archäologen bestätigen das zumindest für einen Bereich im Südosten. Die Aufteilung setzt nicht zwingend voraus, daß jedes vermessene Quadrat auch einer Legionskohorte zugewiesen wurde. So sprechen beide überlieferte Lagerbeschreibungen von Polybios als auch von Pseudo-Hygin jeweils auch von Kontingenten der Bundesgenossen oder Legionsreiterei die von der Standardlegionslagerfläche abweichende Bereiche im Lager belegten.

Visualisierung der symetrischen Abweichungen
Abb. 5: Visualisierung der Anpassungen.

Zumindest für Letztere kann man dann auch annehmen, daß mehrere Kohortenquadrate zusammengefasst oder komplett anders aufgeteilt wurden. In Oberaden wurden den drei Kohorten am Ostwall in Praetoriumhöhe offenbar durch derartige Anpassungen genau 11,1m Ihres Platzes genommen. Die Kohortenquadrate sind dort also nur noch 55,5m x 66,6m groß.

 

Die Abb. 5 verdeutlicht die in Oberaden vorgenommenen Anpassungen gegenüber dem Ideallager.

Die grünen Kohortenquadrate entfallen durch die Verkürzung der Ecken. Durch Verschiebung der unwürdigen Via Decumana aus der Zentralachse wurde offensichtlich in diesem Bereich die Unterbringung der Kohortenquadrate optimiert. Auch in der Südwestecke gewinnt man den Eindruck, daß diese Eckenverkürzungen so vorgenommen wurden, daß möglichst komplette Kohortenquadrate erhalten bleiben. Meine Vermutung ist deshalb, daß die Eckenverkürzung eher einer Anpassung an den Personalbestand geschuldet ist und nicht durch das Gelände erzwungen wurde.

 

Abb. 6: Quadratisches Ideallager aus republikanischer Zeit ?
Abb. 6: Quadratisches Ideallager aus republikanischer Zeit ?

Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, dann kann es doch auch sein, daß unser Ideallager auch schon eine Mutation eines kleineren Lagers ist, daß dann für die Expeditionsarmee des Drusus aufgepumpt wurde. Da alle oben genannten Anpassungen in Ost-West-Richtung vorgenommen wurden, wird das kleinere Ideallager möglicherweise also nur in dieser Richtung vergrößert worden sein. Wir nehmen also im Osten und Westen je 66,6m weg und erhalten folgende Konstruktion. (Abb. 6)

 

Diese Konstruktion ist nun exakt quadratisch. 300 Units x 300 Units oder 2250 pes monetalis x 2250 pes monetalis oder 666m x 666m. Es ähnelt damit zumindest in der Form dem Lager des „Polybios“ (Abb. 8) [ 3 ]und in der inneren Aufteilung dem Lager bei „Pseudo-Hygin.[ 4 ]. Es bietet Platz für ca. 44 Kohorten. Unter der Berücksichtigung, daß einer ersten Kohorte der doppelte Platz einer gewöhnlichen Kohorte zugestanden wurde, hätte sogar ein 4-Legionenheer ohne Hilfstruppen und Reiterei in diesem Lager Platz. Es wird aber wohl so gewesen sein, dass dies ein Standardlager für zwei Legionen inklusive Hilfstruppen war.

Abb. 6a: Ideallager auf dem Grabungsplan des grossen Lagers auf dem Hunerberg.
Abb. 6a: Ideallager auf dem Grabungsplan des grossen Lagers auf dem Hunerberg.

Legt man den Lagerwall des aus Oberaden hergeleiteten Ideallagers über den Grabungsplan von Nijmegen (augusteisches Lager), erzielt man im hohen Maße Deckungsgleichheit (Abb. 6a). Das eingezogene Tor an der Ostseite könnte wahrscheinlich ein Zugeständnis an die Topographie sein, während die SO-Ecke eine der auch in Oberaden beobachteten Eckenverkürzung zu sein scheint. Wenn auch analog zu Oberaden, die Innenbebauung einem orthogonalen Vermessungsnetz  (hemistrigia) selber Einheit folgt, so ist doch die Verteilung der Strassen und erkennbarer Zentralgebäude eine andere.

Abb. 7: Vergrößerung der Legatenhäuser, (c) LWL
Abb. 7: Vergrößerung der Legatenhäuser, (c) LWL

Die Principia und der Platz für die prächtigen Häuser darunter scheinen auch auf ein 4-Legionenheer vorbereitet. Im Fahnenheiligtum sehen wir vier doppelte Nischen für die Feldzeichen.

Im Süden bei den drei prächtigen mediterranen Wohnhäusern in Oberaden ist auch noch Platz für ein Viertes. Sie wären dann in dieser exponierten Lage wahrscheinlich als Legatenhäuser anzusehen. Also wäre auch ein Vierlegionenheer für den Innenraum denkbar. Die Lagerlänge hätte dann aber mit der im Vergleich zu dem 2-Legionen-Standardlager erheblich verlängert werden müssen.

Abb. 8: rekonstruiertes Lager eines konsularischen Heeres nach Polybios.
Abb. 8: rekonstruiertes Lager eines konsularischen Heeres nach Polybios.

Evolution aus dem Lager des Polybios

 

Dieses angenommene Anwachsen in die Breite bei entsprechendem Truppenzuwachs ist nicht aus der Luft gegriffen. Schon Polybios beschreibt was geschah, wenn beide konsularischen Heere in einem Lager vereint wurden. Es wurde demnach nicht ein komplett neues Lager entwickelt, sondern man baute die zwei Lager einfach Rücken an Rücken aneinander. (Abb. 9) [ 3 ]

Diese Konstruktion besitzt schon sehr viel Ähnlichkeit mit dem Lager in Oberaden. Während man für das Polybioslager ca 2000x2000 Pes Monetalis (592 x 592 Meter) als Größe annimmt, ist das spekulierte Ideallager aber 666x666 Meter mächtig. Diesen Größenzuwachs könnte man vielleicht mit der nachgewiesenen Nutzung des pes drusianus am Rhein erklären. Das heißt, die Konstruktion blieb gleich, aber man vergrösserte eventuell nur die Maßeinheit.

Das angenommene kleine quadratische Ideallager (Abb.6)  könnte also durchaus in einer Evolution aus dem Polybioslager entstanden sein. Möglicherweise bei einer Heeresreform (Marius?), da die Umstellung der Legionsorganisation von Manipel zu Kohorten natürlich auch eine neue Einteilung des Standardmarschlagers erforderte.

 

 

Abb. 9: rekonstruiertes konsularisches Feldlager nach Polybios für zwei konsularische Heere mit zwei anwesenden Konsuln.
Abb. 9: rekonstruiertes konsularisches Feldlager nach Polybios für zwei konsularische Heere mit zwei anwesenden Konsuln.

Abb. 11: Cava de Viriato in Viseu (Portugal)
Abb. 11: Cava de Viriato in Viseu (Portugal)

Die Eckenverkürzung als Vorbereitung des Winterlagers?

 

Auch für das Phänomen der Eckenverkürzung gibt es möglicherweise einen Vorläuferfund. Das Lager Cava de Viriato in Viseu (Portugal)  (Abb.11) ist ein lupenreines Oktogon. Seine Länge und Breite entsprechen aber sehr genau dem Polybiosabmessungen. Die Bereiche der Legionen werden durch das Abschneiden der Ecken nicht betroffenen, sondern ausschliesslich die Bereiche der Bundesgenossen/Auxilia. Polybios erwähnt diese Flächen in dem er sie den "fremdstämmigen und den nur für kurze Zeit dazukommenden Bundesgenossen" zuweist.

Das Abschneiden der Ecken könnte also ein Standardverfahren zur Anpassung des Lagers an den Personalbestand vor einer Überwinterung gewesen sein.

Quellenverweise


[ 1 ] Kühlborn, Römerlager in Westfalen 3,Altertumskommission für Westfalen 2008

[ 2 ] C. W. Walthrew 1988, Length Units in roman military planning

[ 3 ] Polybios, Historien 6,27-32

[ 4  ]Pseudo-Hygin, De Munitionibus Castrorum

Erstellt: Mai 2011

Letzte Änderung: November 2013